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swisscleantech - Das Netto-Null-Ziel als wirtschaftliche Chance

Seit Oktober 2023 sind wir Mitglied des Verbands swisscleantech, der sich für eine klimataugliche Schweizer Wirtschaft einsetzt. Wie sich der Verband engagiert und warum sich eine Mitgliedschaft für Unternehmen auszahlt, erklärt Co-Präsident Fabian Etter im Gespräch.

Herr Etter, Sie stehen als Co-Präsident dem Verband swisscleantech vor, der die Interessen der klimabewussten Wirtschaft vertritt. 

Genau, als Stimme der Wirtschaft möchte swisscleantech die Schweiz als Land positionieren, das im Klimaschutz eine Führungsrolle übernimmt. Wir wollen aufzeigen, wie eine Gesellschaft Netto-Null erreichen und dabei gleichzeitig Wohlstand und Lebensqualität hochhalten kann. 

Warum lohnt sich für Firmen die Mitgliedschaft?

Aktuell sind rund 600 Unternehmen Mitglied bei swisscleantech. Zum einen setzen wir uns im Namen dieser Unternehmen für die Schaffung von politischen Rahmenbedingungen ein, um nachhaltiges Wirtschaften zum Standard zu machen. Ein höherer Preis auf CO2, die Förderung von Innovation, aber auch die Schaffung von Planungssicherheit für die Wirtschaft sind Stichworte in diesem Zusammenhang. Zum andern unterstützen wir unsere Mitglieder beim Erreichen ihrer eigenen Klimaziele mit Events und Tools. swisscleantech ist der Ort, wo Unternehmen von Gleichgesinnten lernen und sich vernetzen können, wo sie die politischen Rahmenbedingungen mitprägen können und viel Know-how erhalten. Der klare Fokus auf Energie und Klima mit den beiden Säulen Politik und Vernetzung kommt gut an und hat dazu geführt, dass sich unsere branchenübergreifende Mitgliederbasis seit 2019 verdreifacht hat.  Die Hälfte der SMI-Firmen wirkt mittlerweile bei uns mit.  

«Wir wollen aufzeigen, wie eine Gesellschaft Netto-Null erreichen und dabei gleichzeitig Wohlstand und Lebensqualität hochhalten kann.“

Fabian Etter
Co-Präsident swisscleantech

Klimaschutz fördern und gleichzeitig die Interessen der Wirtschaft vertreten – ist dieser Spagat machbar?

Machbar und absolut notwendig. Denn einerseits ist die Wirtschaft für einen wesentlichen Teil der Emissionen im In- und Ausland verantwortlich, andererseits ist sie aber auch Triebfeder für Innovationen und Emissionsreduktionen. Natürlich gibt es Zielkonflikte, etwa dass sich gewisse Investitionen erst mittel- oder längerfristig lohnen, während gleichzeitig Quartalsresultate gefordert werden. Auch ist es oft schwierig, Kunden von höheren Preisen für nachhaltige Produkte zu überzeugen. Deshalb braucht es einen politischen Rahmen und beispielsweise mehr Lenkungsabgaben auf CO2, aber auch Aufklärungsarbeit bei den Konsumenten und Firmen. Wir sind überzeugt, dass Klimaschutz künftig ein Erfolgsfaktor für die Schweizer Wirtschaft sein wird. Auch unser wichtigster Handelspartner EU hat sich ambitionierte Ziele gesetzt – entsprechend gilt es voranzuschreiten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Sie haben von Vernetzung gesprochen. Gibt es zwischen den swisscleantech-Mitgliedfirmen eine Zusammenarbeit?

Absolut – und immer mehr: Wir haben zum Beispiel verschiedene Projekte, wo wir die Stakeholder einer Branche an einen Tisch bringen und gemeinsam schauen, wo es Hindernisse bei der Dekarbonisierung gibt. Ein schönes Beispiel dafür ist die grüne Logistik, wo Mitglieder nun ihre E-Ladestationen gegenseitig füreinander öffnen. Wir bringen auch Firmen in der Kreislaufwirtschaft zusammen, das geht bis zum Erfahrungsaustausch auf CEO-Ebene. Die Vernetzung unter den Mitgliedern wird immer stärker – auch dank unseren rund 30 Veranstaltungen im Jahr.

Die Schweiz will bis 2050 klimaneutral werden. Ist dieses Ziel erreichbar?

Es ist ein ambitioniertes Ziel, mit dem die Schweiz aber nicht allein ist – die EU hat dasselbe Ziel, und auch Länder wie China oder Indien haben sich ein Netto-Null-Ziel gesetzt. Technisch ist es absolut machbar: In sehr vielen Bereichen, in denen Emissionen anfallen – etwa bei Gebäuden, in der Industrie, im Verkehr – sind viele der notwendigen Technologien vorhanden. Das Netto-Null-Ziel ist eine Herausforderung, aber auch eine grosse wirtschaftliche Chance: Es stärkt die Wettbewerbsfähigkeit, erhöht die inländische Wertschöpfung und schafft zusätzliche Stellen.

Wo sehen Sie die grössten Hebel für eine umfassende Reduktion des Treibhausgasausstosses in der Schweiz?

Vieles haben die Firmen selbst in der Hand, etwa bei der Elektrifizierung der eigenen Flotte oder der Wärmeversorgung in Gebäuden. Immer wichtiger wird auch, die gesamte Lieferkette hinsichtlich der Emissionen zu betrachten und etwa Carbon Product Footprints von den Lieferanten einzufordern. Ein Hebel in der Politik ist die Förderung innovativer Technologien, etwa um Negativemissionen zu ermöglichen oder Hochtemperaturprozesse in der Industrie zu dekarbonisieren. Ein dritter Hebel ist die Lenkungsabgabe auf CO2, die bereits existiert, aus unserer Sicht aber höher sein und deren Rückerstattung transparenter sein muss. Sie führt dazu, dass erneuerbaren Technologien preislich attraktiver sind als solche, die mit fossilen Energien betrieben werden. 

Welche politischen Ziele wollen Sie in den nächsten Jahren erreichen?

Nach dem klaren Ja zum Klimaschutzgesetz mit dem Netto-Null-Ziel 2050 vom 18. Juni engagieren wir uns aktuell vor allem für ein griffiges CO2-Gesetz, das die Massnahmen bis 2030 regelt. Ausserdem geht es uns um die Förderung der Kreislaufwirtschaft, etwa mit der Revision des Umweltschutzgesetzes. Auch mit dem Zubau der Erneuerbaren in der Schweiz müssen wir viel schneller vorankommen. Es ist bekannt, dass wir künftig deutlich mehr Strom brauchen, und die Verfügbarkeit von Strom ist eine Grundvoraussetzung für das Vorankommen des Klimaschutzes. Diesbezüglich gibt es Fortschritte, etwa durch den sogenannten Mantelerlass, zu dem das Parlament kürzlich Ja gesagt – auch dafür haben wir uns stark engagiert. Wenn es aber darum geht, neue Windparks oder grosse PV-Anlagen schnell zu bewilligen, gibt es immer noch viel zu tun. 

«Es braucht einen Paradigmenwechsel von einem Preis- zu einem Nachhaltigkeitswettbewerb.“

Fabian Etter
Co-Präsident swisscleantech

Ein relevantes Thema ist wohl auch die öffentliche Beschaffung?

Genau. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass ein Vergabeentscheid von Seiten Gemeinden, Kantonen und Bund stärker von Nachhaltigkeitskriterien abhängig gemacht wird. Dies betriff Ausgaben von 40 Milliarden Franken pro Jahr. Die Nachhaltigkeit einer Firma oder von Produkten muss ein Differenzierungselement werden, was die Firmen wiederum motiviert, diesbezüglich noch aktiver zu werden. Es braucht einen Paradigmenwechsel von einem Preis- zu einem Nachhaltigkeitswettbewerb. Leider ist dieser vom Gesetzgeber gewollte Paradigmenwechsel noch kaum im Vergabealltag angekommen. Daran arbeiten wir.

swisscleantech setzt sich dafür ein, dass Produkte und Dienstleistungen alle Kosten tragen, die sie über ihren Lebenszyklus verursachen. Warum ist Ihnen die Kostenwahrheit wichtig?

Oft sind nachhaltige Lösungen in der Anschaffung kurzfristig teurer, weshalb die Kosten über den ganzen Lebenszyklus betrachtet werden müssen. Im Kanton Zürich beispielsweise müssen Privatpersonen und Unternehmen, die ihre Heizungen ersetzen, eine Lebenszykluskostenbetrachtung verschiedener Heizsysteme machen. Ist ein erneuerbares Heizsystem nicht mehr als fünf Prozent teurer als ein fossiles, muss das erneuerbare gewählt werden. Die Hausbesitzer sind also gezwungen, sich die Lebenszykluskosten vor Augen zu führen und nicht nur die kurzfristigen Investitionen zu vergleichen. Das führt zu deutlich besseren und längerfristig ausgerichteten Entscheiden. 

Auch wir engagieren uns diesbezüglich.

Ja, Lyreco betrachtet die Nachhaltigkeit von Produkten – etwa bei den Emissionen – und entscheidet entsprechend, ob diese ins Angebot genommen werden. Das ist ein grosser Hebel für Lyreco, um etwas zu bewegen im Markt. Wir wissen es sehr zu schätzen, dass Lyreco vorangeht und sich ambitionierte Ziele gesetzt hat.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass wir die Klimakrise bewältigen können?

Für die Schweiz bin ich verhalten optimistisch, vor allem wenn ich sehe, wie unsere Mitglieder vorwärtsmachen. Ich gebe aber zu, dass es bei der globalen Entwicklung Fragezeichen gibt, da viele Länder nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit vorangehen. Dennoch bin ich überzeugt, dass auch international einiges gehen wird und der „Club of the Willing“ andere Länder mitziehen wird. Eine Alternative gibt es nicht. 

Was wünschen Sie sich für Ihren Verband?

Wir wollen weiter wachsen und unsere Community festigen. Denn je mehr Firmen sich uns anschliessen, desto mehr können wir in Politik und Wirtschaft bewegen. 

 

etter

Über swisscleantech

swisscleantech vereint klimabewusste Unternehmen. Der Wirtschaftsverband bewegt Politik und Gesellschaft, damit die Schweiz ihr Netto-Null-Ziel möglichst schnell erreicht. Er ist eine prägende Stimme in der Energie- und Klimapolitik und unterstützt seine Mitglieder mit Know-how, Studien, Tools und Events bei der Erreichung ihrer eigenen Klimaziele. swisscleantech zählt über 600 Mitglieder aus allen Branchen, darunter über 50 Verbände. Zusammen mit den angeschlossenen Verbänden vertritt swisscleantech über 24‘000 Schweizer Unternehmen und rund 400‘000 Mitarbeitende.